Ehrenamt

Ohne ehrenamtliches Engagement sind der Zusammenhalt in der Gesellschaft und die Zukunft von Sachsen-Anhalt undenkbar. Angesichts dieser Tatsache widmet sich das IKOE-Projekt auch der Stärkung vor allem der Anerkennungskultur und strukturellen Fragen des Ehrenamtes.

Wir wollen insbesondere denjenigen Menschen eine Stimme in der Öffentlichkeit geben, die sich ungeachtet persönlicher Verpflichtungen und auch Belastungen für das Gemeinwohl einsetzen.

In dem Zusammenhang sehen wir es also eine wichtige Aufgabe an, kontinuierlich darauf hinzuweisen, dass eine Sicherung und Weiterentwicklung des Ehrenamtes ohne hauptamtliche, staatlich finanzierte Koordination und eine institutionelle Förderung kaum möglich sein.

Dabei gehen wir auch auf die Unterschiede zwischen urbanen Gebieten und dem ländlichen Raum beim Anteil und der Art des ehrenamtlichen Einsatzes sowie die besondere Situation in Ostdeutschland und damit in Sachsen-Anhalt ein.

Trotz der fortgesetzten Abwanderung entstehen in ländlichen Gebieten viele neue Initiativen, die engagierte Freiwillige gewinnen. Wir unterstützen diese Prozesse und setzen uns für die Stärkung der Strukturen ein. Die 2022 in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung erarbeitete Publikation „Die Entwicklung des Ehrenamts im ländlichen Raum von Sachsen-Anhalt auf dem Prüfstand: das Beziehungsgefüge zwischen kommunaler Verwaltung und Landesbehörden” soll dabei einbezogen und das Thema weiterentfaltet werden.

Interview mit einem Iraner über Erfahrungen mit der deutschen Gesellschaft, der Willkommenskultur – und der Bürokratie

In unserem IKOE-Projekt hat der aus Afghanistan stammende Student Belal Ahmad Ataee ein gut dreimonatiges Praktikum absolviert – eine große Bereicherung für beide Seiten. Belal Ahmad Ataee hat sich in der Zeit nicht nur intensiv mit den Inhalten, Tätigkeitsbereichen und Zielgruppen des Projekts beschäftigt und recherchiert, sondern er hat sich auch mit eigenen Texten und Fotos eingebracht. Entstanden ist damit ein Blick gewissermaßen von außen auf unser Projekt und auch auf die Gesellschaft in Sachsen-Anhalt. Ein Beispiel ist das hier folgende Interview mit einem Iraner, der in Magdeburg lebt und über verschiedene Erfahrungen vor allem mit der Verwaltung und der Bürokratie Auskunft gibt.

Herr Jawad Sultani, würden Sie sich bitte kurz vorstellen?
Ich komme aus dem Iran und bin 42 Jahre alt. Seit etwa zehn Monaten lebe ich in Magdeburg. Ich bin hauptsächlich nach Deutschland gezogen, um einen Job in meinem Bereich, der Software-Entwicklung, zu finden, und glücklicherweise ist mir das gelungen. Ich arbeite jetzt als Software-Ingenieur.

Wie haben Sie sich in Deutschland eingelebt?
Obwohl es schwer ist, außerhalb der Heimat zu leben, weil man den Alltag und den Umgang mit Menschen aus der eigenen Gesellschaft vermisst, war es für mich nicht besonders schwierig, in Deutschland zu leben. Ich empfinde keinen großen Unterschied zwischen dem Leben in Deutschland und im Iran, weil unsere Lebensweisen in vielerlei Hinsicht ziemlich ähnlich sind.

Belal Ahmad Ataee

Gab es möglicherweise Schwierigkeiten am Anfang?
Zunächst war es sehr einfach, als Fachkraft nach Deutschland zu kommen. Das gab mir die Hoffnung, das Leben führen zu können, das ich mir immer vorgestellt hatte. Allerdings kann ich nicht sagen, dass alles problemlos verlaufen ist. Mit der Zeit stieß ich nämlich auf einige Herausforderungen. Zum Beispiel sind die bürokratischen Abläufe in Deutschland sehr langsam und zeitaufwändig, was unseren Fortschritt in den ersten Monaten wirklich beeinträchtigt hat. Zum Beispiel konnten meine Kinder in den ersten acht Monaten nicht zur Schule gehen, weil wir so lange auf einen Termin beim Gesundheitsamt warten mussten. Das bedeutete, dass sie acht Monate Schulzeit verpassten, was für sie ein erheblicher Rückschlag ist. Außerdem haben wir seit unserer Ankunft immer noch kein Kindergeld erhalten, und wir warten schon sehr lange darauf. Ich möchte damit sagen, dass es als Ausländer sehr schwer ist, ein System zu bewältigen, das für die deutsche Gesellschaft ausgelegt ist.

Welche Erfahrungen haben Sie allgemein mit deutschen Behörden und der Gesellschaft gemacht?
Trotz dieser Herausforderungen ist es erwähnenswert, dass unsere Erfahrungen mit den zuständigen Ämtern durchweg positiv waren. Wir haben nie offene oder offensichtliche Diskriminierung erlebt. Eine unserer besten Erfahrungen hatten wir mit den Lehrern meiner Kinder, die unglaublich freundlich, herzlich und unterstützend waren. Meine Kinder hatten anfangs Schwierigkeiten mit der Sprache und haben auch jetzt noch einige Hürden, aber sie haben sich nie entmutigen lassen, weil die Lehrer so hilfsbereit und freundlich sind.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Kinder die Ferien nicht so sehr mögen wie die Schule! Sie gehen mit großem Interesse und Begeisterung zur Schule, und das ist seit dem ersten Schultag so geblieben. Deshalb bin ich sehr froh, dass meine Kinder in Deutschland eine gute Zukunft haben werden, da sie in einem so hervorragenden Schulsystem unter der Anleitung großartiger Lehrkräfte aufwachsen.
Darüber hinaus möchte ich betonen, dass ich seit meiner Ankunft in Deutschland keine diskriminierenden Verhaltensweisen von irgendjemandem in der Gesellschaft erlebt habe.

In Deutschland wird viel über Willkommenskultur diskutiert. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich habe mich immer willkommen gefühlt. Zum Beispiel haben wir wunderbare Beziehungen zu mehreren deutschen Familien aufgebaut. Zwei von ihnen sind unsere Nachbarn, die wir durch das Teilen von Essen im Haus kennengelernt haben, und drei weitere Familien stammen aus meinem Arbeitsumfeld. Wir treffen uns oft und haben viel Spaß zusammen. Gleichzeitig fühlen sich unsere Kinder wie zu Hause, weil sie viel Zeit mit den Kindern dieser Familien verbringen und gemeinsam spielen. Ich hatte gehört, dass es schwierig sein soll, Freundschaften mit Deutschen zu schließen, aber ich denke, man sollte das nicht verallgemeinern. Es hängt wirklich davon ab, wie wir uns verhalten und wie freundlich und offen wir anderen gegenüber sind.
Insgesamt bin ich mit fast allem in Deutschland zufrieden – außer mit der Bürokratie.

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